Schutz von Flüchtlingen – die Schweiz in der Pflicht

Stellungnahme zur Abstimmung vom 9. Juni „Stopp Asylgesetzverschärfungen – Nein zur Asylgesetzrevision“

Am 9. Juni sind Schweizerinnen und Schweizer aufgefordert, über die Änderungen des Asylgesetztes, die seit dem 29. September 2012 in Kraft sind, abzustimmen. Justitia et Pax, Expertenkommission für Sozialethik der Schweizer Bischofskonferenz, begrüsst Massnahmen für ein faires und beschleunigtes Asylverfahren, spricht sich aber gegen die erneute Asylgesetzverschärfung aus.

Laut dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge waren 2011 weltweit mehr als 43 Millionen Menschen auf der Flucht. Rund 80% dieser Vertriebenen und Flüchtlinge bleiben in ihrer Heimatregion, von den restlichen 20% schafft es nur ein kleiner Teil bis in die Schweiz. Asylsuchende und „vorläufig Aufgenommene“ (Konflikt- und Gewaltvertriebene) machen weniger als 1% der Bevölkerung in der Schweiz aus. Die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte zeigt sehr deutlich, dass sich die Zuwanderung durch Flüchtlinge kaum über Gesetze steuern lässt. Eine repressive Asylpolitik zwingt Flüchtlinge vielmehr in die Illegalität.

Vor diesem Hintergrund ruft Justitia et Pax einige grundlegende Aspekte in Erinnerung:

  • Hinter all diesen Zahlen verbergen sich menschliche Schicksale. Die Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen, sind Verfolgung, Krieg und Gewalt, Naturkatastrophen, die Suche nach einem besseren Leben und manches mehr. Diese Menschen werden nicht zu Flüchtlingen, weil sie als solche anerkannt sind, sondern weil sie nicht mehr in ihrer Heimat leben können. Kein Mensch verlässt leichten Herzens seine Heimat, wenn er nicht weiss, was ihm die Zukunft in einem anderen Land, in einem anderen Kontinent bringen wird.
  • Seit Inkrafttreten des Asylgesetzes 1981 wurden 10 verschärfende Revisionen vorgenommen. An der Tatsache, dass Menschen unter Zwang ihre Heimat verlassen müssen und auch in der Schweiz um Asyl bitten, konnten diese Verschärfungen nichts ändern. Erreicht wurde hingegen, dass das Schicksal einzelner Asylsuchender kaum mehr wahrgenommen wird und alle Asylsuchenden unter dem Generalverdacht stehen, sie seien kriminell und nur darauf aus, unseren Sozialstaat auszunutzen.
  • Für Justitia et Pax war und ist es keine Frage, dass Fremde und Flüchtlinge einen menschenwürdigen Schutz geniessen. Deshalb hat sich die Kommission bisher schon zu Verschärfungen im Asylrecht geäussert und dabei die Würde aller Menschen in den Mittelpunkt ihrer Beurteilungen gestellt. Eine weitgehend auf Verschärfung und Abschreckung setzende Asylpolitik nimmt Not und Elend von Flüchtlingen und damit auch diese Menschen nicht mehr wahr und ernst und tut so, wie wenn die Missstände auf dieser Welt von der Schweiz ferngehalten werden könnten.

Aus Sicht von Justitia et Pax setzen die dringlich vorgenommenen Änderungen erneut falsche Schwerpunkte und unterlaufen in mehreren Punkten den Anspruch einer fairen und zugleich lösungsorientierten humanitären Asylpolitik. Die zwei gravierendsten Punkte sind:

1. Keine Asylgesuche mehr auf Schweizer Botschaften:

Bisher konnten Flüchtlinge auf einer Schweizer Botschaft im Ausland ein Asylgesuch einreichen. Mit der Aufhebung dieser Möglichkeit sind Flüchtlinge gezwungen, in vielen Fällen „Schlepper“ zu bezahlen und allzu oft gefährliche Fluchtwege einzuschlagen. Damit schliesst sich ein weiteres Tor für Verfolgte, in einem sicheren Land auf legalem Weg Zuflucht zu finden. Gerade im Kampf gegen das unmenschliche Schlepperwesen wäre das Botschaftsasyl eine wichtige Massnahme. Aus christlicher Sicht wiegt der Schutz verfolgter und bedrohter Menschen höher als das nachvollziehbare Bedürfnis von Staaten, die Zuwanderung zu begrenzen.

2. Sonderzentren für renitente Asylsuchende:

Im Gesetz heisst es, dass Asylsuchende, „die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden oder durch ihr Verhalten den ordentlichen Betrieb der Empfangsstellen erheblich stören“, in besonderen Zentren untergebracht werden sollen. Die Gefahr dieser Regelung ist offensichtlich. Im bestehenden Klima des Misstrauens und der Abwehr von Asylsuchenden dürfte es zur Willkür werden, wer in diese Sonderzentren eingewiesen wird und welche Bedingungen dort herrschen. Wohlgemerkt, Delikthandlungen wie Drogenhandel, Diebstahl oder Prostitution werden immer schon mit den Mitteln des Strafrechts verfolgt. Dafür braucht es keine neuen Paragrafen. Mit der neuen Regelung besteht deshalb die berechtigte Gefahr, dass Asylsuchende über Gebühr ihrer Freiheit beraubt werden und zu Menschen „zweiter Klasse“ werden. Eine zunehmende Stigmatisierung und Ausgrenzung dieser Menschen wäre die Folge.

Weitere bedenkliche Punkte sind, dass Dienstverweigerung oder Desertion nicht mehr als Fluchtgründe für einen Asylstatus anerkannt werden, die Verlängerung der Fristen für einen Familiennachzug und für eine reguläre Aufenthaltsbewilligung für vorläufig Aufgenommene sowie die Verkürzung der Beschwerdefristen für abgewiesene Asylsuchende.

Die Erfahrungen von Flucht und Vertreibung sind der Kirche von Anfang nicht fremd, und im Umgang mit den Benachteiligten zeigt sich der Kern des Evangeliums: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Auf dieser Grundlage verbunden mit der unantastbaren Würde aller Menschen spricht sich Justitia et Pax gegen die dringlichen Änderungen des Asylgesetzes aus. Hingegen begrüsst die Kommission alle Vorschläge, die kürzeren, aber gleichzeitig fairen Asylverfahren dienen. Sie wären wesentliche Elemente einer lösungsorientierten und humanitären Asylpolitik.

Freiburg i.Ü., 2. Mai 2013

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