Nein zur Diskriminierung und Verletzung von Grundrechten

Argumentarium von Justitia et Pax zur Abstimmung über Ausschaffungsinitiative und Gegenvorschlag

Die Schweizer Nationalkommission Justitia et Pax lehnt die Initiative „für die Ausschaffung krimineller Ausländer“ entschieden ab. Denn das Volksbegehren verletzt Grundrechte und missachtet das rechtsstaatlich verankerte Prinzip der Verhältnismässigkeit. Auch der Gegenvorschlag ist vom selben Geist geprägt und bringt gegenüber der bereits bestehenden Ausschaffungspraxis mehr Nachteile als Vorteile. Beide Vorlagen heizen die Ausländerfeindlichkeit weiter an und leisten weder einen Beitrag zur Lösung des Problems der Kriminalität noch der Integration.

Die Schweizer Bevölkerung ist beunruhigt über die Ausländerkriminalität. Müssen die Verantwortlichen in der Politik dem nicht Rechnung tragen und alles unternehmen, um Sicherheit in unserem Land gewährleisten zu können?

Die Schweiz hat bereits eines der strengsten Ausländergesetze in Europa und handhabt eine strenge Ausschaffungspraxis bei kriminellen Ausländern. Dass in Schweizer Gefängnissen eine Mehrheit ausländischer Herkunft ist, ist eine Tatsache. Aber weder die Initiative noch der Gegenvorschlag bieten eine Lösung im Fall von Kriminaltourismus und Straffälligkeit von Personen ohne Aufenthaltsrechte. Wenn vorgegeben wird, die Initiative würde das Problem der Kriminalität lösen, ist dies eine grobe Irreführung des Stimmvolks. Die Statistik zeigt nämlich, dass Ausländer mit einer Aufenthalts- (Ausweis B) oder Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) in vergleichbaren Verhältnissen weniger häufig strafrechtlich verurteilt werden als Schweizer.

Wenn eine Person straffällig wird, muss sie damit verbundene Konsequenzen tragen. Dies kann bei ausländischen Kriminellen die Ausschaffung aus unserem Land beinhalten. Ist das denn nicht legitim? Gemäss Initiative muss bei einer Person ausländischer Herkunft bei einer gerichtlichen Verurteilung – auch wegen Straftaten wie Drogenhandel, Einbruch oder missbräuchlichem Bezug von Sozialhilfe – automatisch die Ausweisung verfügt werden. Da dies unabhängig von ihrer persönlichen und familiären Situation und ohne Beurteilung der Gefahr einer Rückfälligkeit erfolgt, widerspricht dies dem Prinzip der Verhältnismässigkeit. Es ist inakzeptabel, dass in Kauf genommen wird, dass auf diese Weise ganze Familien – einschliesslich schweizerischer Ehepartner und Kinder mit Schweizer Bürgerrecht – mitbestraft werden durch Ausschaffung oder Trennung, weil einer von ihnen straffällig geworden ist. Dasselbe gilt für Personen der 2. oder 3. Generation, die hier geboren und aufgewachsen sind.

Angesichts dieser Initiative ist, wie die Schweizer Bischofskonferenz dies gemacht hat, vielmehr daran zu erinnern, dass Nicht-Diskriminierung, Gleichheit vor dem Gesetz, Schutz vor Willkür und das Recht auf Ehe und Familie Grundprinzipien unseres Rechtsstaates sind, die auch in internationalen Konventionen festgeschrieben sind. Sie gelten für alle Personen, unabhängig ob sie einen Schweizer Pass besitzen oder nicht.

Bundesrat und Parlament haben einen Gegenvorschlag erarbeitet, der im Vergleich zur Initiative gewisse Grenzen setzt, indem er die Grundrechte, Prinzipien der Verfassung und des internationalen Rechts anerkennt.

Gleichwohl ist der Gegenvorschlag vom selben Geist geprägt. Justitia et Pax kann ihm nicht zustimmen, betrachtet ihn aber gegenüber der Initiative als das geringere Übel. Bewusst Kriminalität und mangelnde Integration zu vermischen, fördert die Fremdenfeindlichkeit und polarisiert die verschiedenen Gruppen in unserer Gesellschaft. Die überwiegende Mehrheit der Ausländer, die ihren Wohnsitz in der Schweiz hat, verursacht jedoch keinerlei Probleme.

Deshalb lehnt Justitia et Pax die Ausschaffungsinitiative entschieden ab. Aus ethischer Sicht ist auch der Gegenvorschlag nicht akzeptabel. Gleichwohl stellt er das geringere Übel dar. Deshalb empfiehlt Justitia et Pax, ihn in der Stichfrage zu unterstützen.

Bern, den 4. November 2010

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