Den Wert des Sonntags schützen – ein wichtiger Beitrag für unsere Gesellschaft

27. November 2005: Nein zur Revision des Arbeitsgesetzes

Am 27. November 2005 kommt die Revision des Arbeitsgesetztes zur Abstimmung. Dies sieht die regelmässige und uneingeschränkte Sonntagsarbeit in „Zentren des öffentlichen Verkehrs“ vor (Art. 27 Abs. 1ter ArG). Der bestehende arbeitsrechtliche Sonderstatus des Sonntags wird dadurch, dass die bewährten Ausnahmen zur Regel gemacht werden, in den Bahnhöfen und Flughäfen aufgehoben. Weitere parlamentarische Vorstösse zu einer weitergehenden Liberalisierung der Arbeitszeiten sind hängig. In diesem Sinne ist die vorliegende Revision ein Tendenzentscheid, der Sonntag als bewährte kulturelle Errungenschaft kommt so Schritt für Schritt unter die Räder. Die Schweizerische Nationalkommission Justitia et Pax, ein beratendes Gremium der Schweizer Bischofskonferenz in sozial- und wirtschaftsethischen Fragen, unterstützt die Forderung des Ökumenischen Komitees für den Sonntag gegen die Ausweitung der Sonntagsarbeit. Wir betrachten unsere bewährte Sonntagskultur als wichtiges Element für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

Der Sonntag als „Zeitoase“ dient allen

Die vorliegende Revision des Arbeitsgesetzes öffnet den Sonntagsverkauf über den Status quo hinaus. Es handelt sich um eine Ausweitung mit nicht zu unterschätzenden Auswirkungen auf unsere Gesellschaft: Wir hingegen möchten den Sonntag als weitgehend arbeitsfreien Tag erhalten, weil wir der Überzeugung sind, dass unsere bewährte Sonntagskultur einen wichtigen Beitrag für unser aller Zusammenleben leistet. Gerade dadurch dass der Sonntag kein Tag wie jeder andere ist, ist er ein Tag für uns, hier können wir Fragen zu lassen, die sonst keinen Platz haben.

Mit der Ausweitung des Sonntagsverkaufs wird der Sonntag mehr und mehr zum Einkaufstag, und diejenigen, die vermehrt arbeiten müssen, fehlen in der Familie, in den kirchlich-religiösen und weltlichen Gemeinschaften. Gerade in modernen individualisierten Gesellschaften sind solche „Zeitoasen“ aber von ganz besonderer Wichtigkeit.

An der bewährten Regelung festhalten

Bisher unterliegen die Sonntagsverkäufe einer Ausnahmeregelung. Dadurch wird der besondere Wert des Sonntags hervorgehoben. Neu soll nun in Bahnhöfen und Flughäfen der Sonntagsverkauf zur Regel werden, ohne Einschränkung des Sortiments oder der Verkaufsfläche. Der besondere Wert des Sonntags und seine bis anhin bewährte Funktion im kollektiven Wechsel von Arbeit und Erholung gehen damit verloren, mehr und mehr und Schritt für Schritt.

Die wirtschaftlichen Aspekte des Sonntagsverkaufs beweisen anhand zahlreicher Studien, dass kaum neue Arbeitsplätze geschaffen werden, viel eher ist mit einer Verlagerung von Vollzeit- zu Teilzeitarbeitsplätzen und von qualifizierten Arbeitsplätzen im Detailhandel zu weniger qualifizierten Arbeitsplätzen in den Zentren zu rechnen. Die Tendenz einer allgemeinen Flexibilisierung von Arbeitszeiten wird verstärkt. Erhöhte berufliche und gesundheitliche Belastungen sind die Folge.

Wir sind uns durchaus der gesellschaftlichen Veränderungen bewusst, die das Zusammenleben, unsere Sozial- und Sonntagskultur heute prägen. Allerdings ist es der weitaus geringere Teil unserer Gesellschaft, der heute am Sonntag über die bestehenden Möglichkeiten hinaus einkaufen möchte. Der weitaus grössere Teil unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger schätzt unsere bewährte Sonntagskultur und möchte daran festhalten. Diese Personen, darunter vor allem die Familien, die Pfarreien und Vereine, haben wir im Blick.

Der Sonntag ist ein besonderer Tag, er ist ein Einschnitt im alltäglichen Schaffen für Konsum und Kommerz, er ist eine Unterbrechung für den Menschen, der stets verfügbar und flexibel sein sollte, und schenkt ihm eigene, nicht vorgegebene Zeit. Die gesetzlich garantierte Sonntagsruhe ist dafür die Grundlage und weist die scheinbar grenzenlose Forderung nach Verfügbarkeit in ihre Schranken. Dieser Sonntag ist uns wertvoll, seine Bedeutung weist weit über den religiösen Bereich hinaus.

 

Wolfgang Bürgstein, Medienkonferenz in Bern am 24. Oktober 2005